Wo Naturverjüngung Trumpf ist

Ein Besuch bei der Freiherr von Poschinger Gutsverwaltung - Nationalpark als "Booster der Regionalentwicklung"

Eintrag Nr. 33/2024
Datum:


Benekdikt von Poschinger (links) auf Waldbeschau mit Gerhard Wilhelm.
Benekdikt von Poschinger (links) auf Waldbeschau mit Gerhard Wilhelm.

Nisthilfe in den Gutswäldern.
Nisthilfe in den Gutswäldern.

Oberfrauenau.Die Freiherr von Poschinger Gutsverwaltung ist der größte Privatwald-Nachbar des Nationalparks. Elf Kilometer lang ist die gemeinsame Grenze. Trotz unterschiedlicher Zielsetzungen arbeiten beide Seiten eng zusammen – nicht nur in Sachen Borkenkäfer, sondern auch bei Forschung, Monitoring oder Tourismus. Ein Waldspaziergang.

Es ist ein sonniger Sommermorgen. In der Ferne hämmert ein Specht. Der Boden ist noch leicht feucht. Am Gegenhang leuchten der Kleine und Große Rachel im prallen Licht. Und zwischen üppiger Buchenverjüngung stapfen zwei Männer durch den Wald. „Hier sieht man, das Naturverjüngung eben doch das Beste ist“, sagt der eine zum anderen. Es ist Gerhard Wilhelm, Forstbetriebsleiter der Freiherr von Poschinger Gutsverwaltung Frauenau. Sein Gegenüber ist sein Chef, Benedikt von Poschinger. „Stimmt, hier steht die nächste Generation schon in den Startlöchern.“

Kommunikation als Erfolgsrezept

Das Duo kümmert sich mit seinem Team um den größten Privatwald in Nachbarschaft zum Nationalpark Bayerischer Wald. Über 2300 Hektar unterhalb des Rachelmassivs gilt es zu betreuen. Auf einer Länge von rund elf Kilometern grenzen die Gutswälder direkt ans Schutzgebiet. Auf der einen Seite der Grenze steht Naturschutz an erster Stelle, auf der anderen nachhaltige Forstwirtschaft. Wie passt das zusammen?

„Der Schlüssel zum erfolgreichen Miteinander ist die gute Kommunikation“, sagt Benedikt Poschinger. „Und die klappt auf allen Ebenen reibungslos.“ Er fühle sich ernst genommen von seinem großen Nachbarn. „Wir begegnen uns stets auf Augenhöhe.“ Und so arbeite man mittlerweile in vielen Bereichen gut zusammen. Von der Forschung über das Borkenkäfer- und Wildtiermanagement bis hin zum touristischen Marketing. „Da laufen auf allen Ebenen viele kleine Projekte.“

Nisthilfe für Habichtskäuze auch in den Gutswäldern

Ein gutes Beispiel dafür findet sich hoch über der Verjüngung. Dort hängt in einigen Metern Höhe an einer Altbuche ein großer hölzerner Kasten mit drei Öffnungen. „Das ist eine Bruthilfe für Habichtskäuze“, erklärt Gerhard Wilhelm. Der Nationalpark hat die Eulenart in der Region wiederangesiedelt – auch dank derartiger Nistmöglichkeiten. Und selbst in den Gutswäldern gab’s darin schon Nachwuchs. „Das ist natürlich schon toll, dass so etwas sogar bei uns im Wirtschaftswald funktioniert“, sagt Benedikt von Poschinger. „Für mich ist es eine wahre Freude, dass wir dieser seltenen Tierart damit helfen können.“ Beim Monitoring und der Pflege der Kästen unterstützen Nationalparkmitarbeiter.

Enge Abstimmung erfolgt auch in Sachen Borkenkäfer-Management. „Vieles können wir bereits auf dem kleinen Dienstweg klären“, betont Gerhard Wilhelm. Auch gegenseitige Fahrerlaubnisse, die gemeinsame Nutzung von Holzlagerplätzen oder aufeinander abgestimmte Pflegemaßnahmen beim Wegenetz seien Alltag. Sein Fazit: „Es funktioniert alles sehr gut.“

Klimawandel fördert Entwicklung der Borkenkäfer

Der Borkenkäfer sei freilich aktuell auch in den Gutswäldern Dauerthema. „Der Klimawandel spielt ihm einfach in die Karten“, sagt Wilhelm. „Das ist aber nicht nur im Bayerischen Wald so. Schauen wir nach Thüringen, Oberösterreich oder ins Passauer Land: Überall dasselbe Bild.“ Doch der Förster erkenne auch einen positiven Effekt: „Dank der längeren Vegetationsphase schießen die jungen Fichten nun selbst in den Hochlagen 30 bis 50 Zentimeter pro Jahr in die Höhe.“ Der Nachwuchs kommt mit voller Kraft.

Und der Nachwuchs ist – neben einer strukturreichen Baumartenmischung – auch das Hauptaugenmerk von Gerhard Wilhelm. Sein Credo: Schon im Altbestand versucht er überall dort, wo es geht, junge Bäume emporkommen zu lassen. „Denn das Wichtigste ist, dass wir von den gleichaltrigen Beständen wegkommen“, ist er sich sicher. Mit kleinflächigen Lichtkegeln fördern er und sein Team an der einen Stelle gezielt die Fichte, andernorts lassen sie im Schatten die Buchen emporkommen. Fast überall geschieht dies auf natürliche Weise – ohne Pflanzungen.

Verjüngung schützt vor Totalausfall bei Störungen

Der starke Fokus auf die Verjüngung sei auch Vorsorge gegen Störungen. „Wenn ein Sturm oder der Borkenkäfer kommt und du hast keinen Nachwuchs, dann stehst du im Anschluss auf blankem Boden. Und dann wird’s schwierig“, so Benedikt von Poschinger. Zudem halten die jungen Bäumchen auch Wasser in der Fläche, sind somit ein Schutz vor Dürre. „Natürlich experimentieren wir ab und zu auch mal, zum Beispiel mit Schwarzkiefer, Sudetenlärche oder Douglasie“, ergänzt von Poschinger. Doch im Kern setzt die Gutsverwaltung in Sachen Baumnachwuchs auf das vorhandene, heimische Genmaterial.

„Denn das Ökosystem Wald ist bei weitem nicht so träge, wie man meint“, ist sich Gerhard Wilhelm sicher, der vor 13 Jahren von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft nach Frauenau wechselte. „Die jungen Bäume müssen schon jetzt alles aushalten, teils extreme Wärme, Dürre, Kältephasen und hohe Schneelasten.“ Die natürliche Verjüngung passe sich diesen Umständen aber gut an, so der Förster.

Dank Glashüttenzeit: Laubholzanteil von über 50 Prozent

Dass die Gutswälder stabil dastehen, habe man auch einem „geschichtlichen Vorteil“ zu verdanken, wie Benedikt von Poschinger erklärt: „Unser Laubholzanteil ist aufgrund der Glashüttenzeit, in der viel Buche zum Heizen benötigt wurde, höher als anderswo.“ 53 Prozent Laubholz wurden jüngst erst inventarisiert. Dem gegenüber stehen 47 Prozent Nadelholz, wobei die Fichte Spitzenreiter ist. Zur Stabilität tragen auch Inseln alter Bäume bei, die gezielt im Wald belassen werden. „Einfach auch, um die nächste Generation säen zu können“, wie Gerhard Wilhelm sagt.

Die Gutsverwaltung hat neben dem Forstbetrieb aber noch weitere Standbeine. Dazu zählt etwa eine eigene Brennerei, ein Gutshofladen und das Wirtshaus Re(h)serviert. Somit ist das Unternehmen auch ein touristischer Player in der Region – und in dieser Funktion Fördermitglied im Verein der Nationalpark-Partner. „Das ist für uns eine wichtige Abrundung im Bereich Tourismus“, betont Benedikt von Poschinger. Das Schutzgebiet selbst bezeichnet er als „Booster der Regionalentwicklung“, um das uns viele Regionen beneiden. „Denn eins muss klar sein: Ohne den Nationalpark hätten weder unsere Gäste noch wir als Einheimische solch eine gute Infrastruktur vor Ort.“

 

Info: Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Nationalpark-Magazins "Unser wilder Wald". Das Magazin liegt nicht nur in der Region aus, sondern ist als ePaper-Ausgabe auch auf der Nationalpark-Homepage veröffentlicht.

Zum Seitenanfang scrollen nach oben