Vom Kanal zum Wildbach

Auszug aus Naturschutz-Broschüre: So renaturiert der Nationalpark einst begradigte Gewässer

Eintrag Nr. 38/2023
Datum:


Bei der Gewässer-Renaturierung kommen zum Teil auch Bagger zum Einsatz. Foto: Johannes Keim
Bei der Gewässer-Renaturierung kommen zum Teil auch Bagger zum Einsatz. Foto: Johannes Keim

Mühlkoppe. Foto: Rudolf Schmidt
Mühlkoppe. Foto: Rudolf Schmidt

Ludwigsthal. Über dem steinigen Untergrund lässt sich eine Bachforelle treiben. Den Kopf hat sie stets in Richtung Strömung gerichtet. Ihre bauchwärts roten Flecken sind vom Ufer aus durch die klare Wasseroberfläche auszumachen. Ein paar Meter weiter treibt sich ein quirliger Fischotter am kühlen Nass herum. Er ist auf Nahrungssuche und würde gern die Forelle erbeuten. Doch diesmal geht sie ihm durch die Lappen. Das ist allerdings kein Grund zur Sorge. Auch dank vieler Renaturierungen gibt’s im rund 700 Kilometer langen Netz aus Nationalpark-Bächen wieder einen reichlich gedeckten Tisch.

DIE SPUREN DER HOLZTRIFT

Das war nicht immer so. Der Mensch hat das Gewässersystem des Bayerischen Waldes einst erheblich verändert. Dutzende Kilometer Bachläufe wurden begradigt, an den Ufern befestigt und so dafür ausgerichtet, Stämme zur Donau transportieren zu können. Um für die Holztrift im richtigen Moment genügend Wasser zu haben, wurden zudem viele kleine Stauanlagen – Klausen und Schwellen genannt – gebaut. So mussten die Waldarbeiter gefällte Bäume nur noch zum Wasser bringen und die Schleusen öffnen. Eine erhebliche Transporterleichterung. Den Menschen Freud, war jedoch der Natur Leid. Viele Arten verloren durch die Kanalisierung der Bäche ihren Lebensraum.

VON ALTEN BACHLÄUFEN UND NEUEN STÖRSTELLEN

Laut Nationalparkplan hat das Schutzgebiet die Aufgabe, einst von Menschenhand gemachte negative Eingriffe in das Ökosystem rückgängig zu machen. Und so arbeiten die Mitarbeiter im Bereich Naturschutz in Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden beständig daran, alte Bach-Begradigungen zu beseitigen. Steine, Felsen und Stämme, mit denen die Ufer verbaut wurden, werden dabei entfernt. Wo möglich, wird wieder eine Verbindung zu trockengelegten Bacharmen hergestellt. Wo die nicht mehr erkennbar sind, wird das enge Korsett des Bachs trotzdem aufgelöst. So können etwa in den Bachlauf eingebrachte Felsbrocken oder Wurzelteller dafür sorgen, dass sich das Gewässer wieder natürlich entwickeln kann. So kommt die Dynamik zurück. Es entstehen ruhige, schnelle, tiefe und flache Bereiche im Bachbett, die Verbindung zur Aue ringsherum wird wiederbelebt. Kurzum: Charakteristische, wilde Bergbäche können sich neu etablieren. Von den Renaturierungen profitieren nicht nur im Wasser und am Ufer lebende Arten. Die natürlich verlaufenden Bäche bieten zugleich einen effektiven Hochwasserschutz, da die Gewässer so bereits im Oberlauf viel überschüssiges Wasser in die Landschaft leiten können.

AUCH ABSTÜRZEN GEHT’S AN DEN KRAGEN

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Gewässer. So werden Wanderhindernisse für Fische, gerade im Bereich von Straßen-, Bahn- oder Wegtrassen, entfernt. Halbrohre oder Furten ersetzen für viele Arten unüberwindbare Abstürze. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch Fischtreppen an den Klausen, die oft als Kulturdenkmäler für die Nachwelt erhalten werden.

Gewinner

Die gut getarnte MÜHLKOPPE ist eine der großen Gewinnerinnen der Bachrenaturierungen. Denn der sich ruckartig bewegende Fisch stellt nicht nur hohe Ansprüche an die Wasserqualität. Für die Mühlkoppe stellen schon Abstürze von rund 20 Zentimetern eine unüberwindbare Hürde dar, weshalb sie unbedingt durchgängige Gewässer benötigt.

Vor Ort erleben

Eine besonders eindrucksvolle Bachrenaturierung lässt sich am Kolbersbach zwischen Ludwigsthal und Kreuzstraßl besichtigen. In diesem Bereich finden im Sommerhalbjahr regelmäßig geführte Wanderungen mit Waldführern statt. Mit Glück kann man hier sogar laichende Huchen beobachten.

 

Hinweis: Dieser Text stammt aus der im Juli 2023 erschienenen Broschüre "Naturschutz im Nationalpark". Die komplette Publikation kann auf der Nationalpark-Homepage als ePaper gelesen werden.

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