Waldmanagement und Naturschutz gehen Hand in Hand

EU-Vorgaben in Natura-2000-Gebieten zum Schutz gefährdeter Arten - Nationalpark erarbeitet Leitfaden

Eintrag Nr. 08/2023
Datum:


Nationalpark-Förster Helmut Kustermann prüft unter anderem mit dem Fernglas, ob in Bäumen, die gefällt werden müssen, Nisthöhlen vorhanden sind. (Foto: NPV)
Nationalpark-Förster Helmut Kustermann prüft unter anderem mit dem Fernglas, ob in Bäumen, die gefällt werden müssen, Nisthöhlen vorhanden sind. (Foto: NPV)

Der Luchs gehört zu den Natura-2000-Arten. (Foto: Wolfgang Lorenz)
Der Luchs gehört zu den Natura-2000-Arten. (Foto: Wolfgang Lorenz)

Wenn in Gebieten Habichtskäuze vorkommen, muss beim Waldmanagement sensibel vorgegangen werden. (Foto: NPV)
Wenn in Gebieten Habichtskäuze vorkommen, muss beim Waldmanagement sensibel vorgegangen werden. (Foto: NPV)

Buchen mit Höhlen von Schwarzspechten dürfen in Natura 2000-Gebieten nicht gefällt werden. (Foto: Steffen Krieger)
Buchen mit Höhlen von Schwarzspechten dürfen in Natura 2000-Gebieten nicht gefällt werden. (Foto: Steffen Krieger)

Buchenwälder gehören zu den natura-2000-Schutzgütern. (Foto: NPV)
Buchenwälder gehören zu den natura-2000-Schutzgütern. (Foto: NPV)

Grafenau. Die Regeln im Naturschutz machen nicht nur die Bundesländer und der Bund. Auch die Europäische Union mischt hier kräftig mit – vor allem, wenn es um Natura-2000-Schutzgebiete geht. Hier gilt zum Schutz gefährdeter Arten und Lebensräume eine spezielle Gesetzgebung, an die sich europaweit jeder halten muss – auch der Nationalpark Bayerischer Wald.

Helmut Kustermann, Leiter der Nationalparkdienststelle Finsterau, ist oberhalb der Reschbachstraße bei Mauth unterwegs. Es ist früh am Morgen. Für das, was er heute vorhat, muss er früh aus den Federn. „Sonst erkennt man mit der Wärmebildkamera nichts mehr.“ An einer Fichte, die aufgrund von Borkenkäferbefall gefällt werden muss, bleibt der Förster stehen. Er muss auf Nummer sicher gehen, dass in diesem Baum keine geschützten Arten leben. Relativ weit oben am Wipfel erkennt man eine Rindentasche. Ob hier eine Mopsfledermaus zu Hause ist, sagt Helmut Kustermann der Blick durch die Wärmebildkamera. Der Baum ist früh morgens noch kalt, die Fledermaus wäre warm. Doch es ist nichts zu erkennen, in dieser Fichte wohnt keine Fledermaus. Der Blick des Fachmanns geht am Baum entlang nach unten. Zur Sicherheit nimmt er einen herumliegenden Ast und kratzt damit am Stamm. „Damit imitiere ich einen Marder, der hinaufklettert.“ Sollte in dem Baum ein Schwarzspecht nisten, würde dieser nun aus der Höhle fliegen. Doch auch hier gibt es Entwarnung. Was bleibt, ist noch die Überprüfung der Umgebung. Nahe der Fichte stehen zwei alte Ahorne. Kustermann markiert sie mit einem gelben Band als Biotopbäume. „Nun wissen die Forstwirte, dass sie diese bei den Fällarbeiten unbedingt schützen müssen.“

Dass Kustermann bei seiner Arbeit als Förster nicht nur an die Borkenkäferbekämpfung und die Verkehrssicherung von Wegen denken muss, sondern auch an den Naturschutz, stört ihn nicht. Ganz im Gegenteil. „Der Nationalpark ist ein Natura-2000-Schutzgebiet, wo 30 Schutzgüter einen besonderen Status haben.“ Auf diese Tiere, Pflanzen oder Lebensräume muss er bei Forstarbeiten besonders achten und die Umgebung vorab genau überprüfen. „Waldmanagement und Naturschutz in Einklang zu bringen dauert länger, ist schwieriger und auch teurer. Aber man hat eine große Möglichkeit, den Wald als Lebensraum für viele Arten zu gestalten.“ Und für die Natur ist es ein Gewinn.

Um möglichst effizient zu arbeiten, hat die Nationalparkverwaltung eine Art Leitfaden für das Natura-2000-Waldmanagement entwickelt. In einem ersten Schritt waren Mitarbeiter des Nationalparks im Gelände unterwegs und haben Vorkommen von gefährdeten Arten zusammengetragen. Diese Daten wiederum stehen den Förstern digital auf dem Handy zu Verfügung. „Wenn eine Maßnahme ansteht, schaue ich vor Ort aufs Handy und sehe sofort, ob ich mich zum Beispiel in einem geschützten Schwarzerlenwald befinde oder ob hier gefährdete Tier- und Vogelarten vorkommen.

Dementsprechend muss Helmut Kustermann dann auch handeln. In einem Moorwald darf kein Harvester zum Einsatz kommen. In einem Haselhuhn-Gebiet müssen umgefallene Wurzelteller als Huderplätze liegen bleiben. „Wenn in einem Bereich Tannennachwuchs steht, können wir diesen vor Verbiss schützen, indem wir einfach ein paar Totholzstämme drum herum legen.“ Die Brutzeiten der Vögel sind generell zu beachten. Gibt es in einer Fichte, die mit dem Borkenkäfer befallen ist, eine Schwarzspechthöhle, bleibt der Baum stehen. Und in Bereichen, in denen Habichtskäuze leben, werden aus den zu fällenden Bäumen Hochstümpfe, die diese Eulenart für die Brut braucht. „Wir haben je nach Gebiet und vorkommenden Schutzgütern ganz individuelle Lösungen.“ Und mit Hilfe dieses Maßnahmenkatalogs können Waldmanagement und Naturschutz Hand in Hand gehen.

Was ist Natura 2000?

Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten. Diese sind sowohl Vogelschutz- als auch Natur- und Landschaftsschutzgebiete, sogenannte Fauna-Flora- Habitat-Flächen. In Bayern gibt es 745 Natura-2000-Gebiete mit einer Fläche von zirka 800 000 Hektar. In diesen Gebieten sind insgesamt 60 Lebensraumtypen und 370 Arten besonders streng geschützt. Auch der Nationalpark ist ein Natura-2000-Schutzgebiet, 30 Schutzgüter haben hier einen besonderen Schutzstatus.

Der Artikel ist in der Nationalpark-Zeitschrift „Unser wilder Wald“ – Ausgabe Winter 2023 erschienen. Die Gesamtausgabe gibt es auf der Homepage des Nationalparks Bayerischer Wald zum Download.

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