Der schwarze Geselle kehrt zurück

Pressemitteilung Nr. 157/10

Datum: 23.12.2010

Schon die Nestlinge der Kolkraben besitzen den für diese Vogelart typischen kräftigen Schnabel.

Foto: Sascha Rösner

Schon die Nestlinge der Kolkraben besitzen den für diese Vogelart typischen kräftigen Schnabel. Foto: Sascha Rösner

Vortrag über den Kolkraben (Corvus corax) im Waldgeschichtliches Museum St. Oswald

Im Rahmen der “Wissenschaftlichen Vortragsreihe” des Nationalparks Bayerischer Wald referierte der Diplom-Biologe Sascha Rösner aus Marburg am 09. Dezember im Waldgeschichtlichen Museum St. Oswald zum Thema Kolkrabe

Der Biologe Sascha Rösner beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Ökologie dieser “schwarzen Gesellen”. Dabei stehen u.a. Aasnutzung und Reviergrößen der Raben im Fokus seiner Forschung. Des Weiteren hat er in vielen Regionen Deutschlands und Polens Brutplätze aufgesucht, um u.a. Jungvögel zu beringen, Brutgrößen zu bestimmen und Blutproben für populationsgenetische Studien zu sammeln.

Der Vortrag im Waldgeschichtliches Museum St. Oswald ordnete den Kolkraben als größten aller Sperlingsvögel (Passeriformes) systematisch ein und skizzierte kurz die nahen Verwandten und heimischen Rabenvögel, z. B. Elster, Dohle oder Aaskrähe. Danach informierte Rösner über die komplexen ökologischen Facetten der Kolkraben: Seine Lebensweise und seine kognitiven Fähigkeiten waren ebenso Thema wie die genetische Differenzierung einzelner Populationen und die Wiederkehr in seine ehemaligen Lebensräume.

Der Kolkrabe gilt mit einer Größe von 65 cm und einer Spannweite von 130 cm als weltweit größter und am weitesten verbreiteter Rabenvogel (Corvidae). Mit seinem rein schwarzen Gefieder und seinem kräftigen schwarzen Schnabel wirkt der bussardgroße Rabe sehr massiv. Der wissenschaftliche Artname corax bedeutet "Der Krächzer". Typisch ist das krächzende und klangvolle "grock grock grock", welches die Anwesenheit des Kolkraben häufig schon auf große Entfernung verrät …

Tausendfach vergiftet, abgeschossen oder erschlagen, schreiben viele Rabenvogelarten in Europa eine "schwarze Geschichte". Auch der größte heimische Singvogel erlitt in Europa massive Bestandseinbrüche und wurde schließlich großflächig ausgerottet. In den Niederlanden beispielsweise, setzte um 1900 ein starker Rückgang ein, welcher zum vollständigen Verschwinden der Art im Jahre 1927 führte. In Belgien brütete er letztmals 1919 und in Luxemburg verschwand er schon Ausgang des 18ten Jahrhunderts. In Deutschland kamen Kolkraben einst in allen größeren Waldgebieten als Brutvogel vor. Mitte des 18ten Jahrhunderts war ein Absinken der Bestandsgrößen zu verzeichnen. Um die Jahrhundertwende fehlte der Kolkrabe bereits in Baden-Württemberg, Hamburg, in der Pfalz, in Sachsen, Schlesien, Thüringen und Westfalen als Brutvogel. Mitte des 19ten Jahrhunderts war der Kolkrabe im westlichen Mitteleuropa ausgerottet!

Letzte Refugien lagen im norddeutschen Raum, in Polen sowie in entlegenen Tälern der Alpenregion. Erst nach Beendigung der aggressiven Verfolgung durch den Menschen und anfängliche Schutzbemühungen expandierte der Kolkrabe wieder in Richtung seiner ehemaligen und angestammten Verbreitungsgebiete. Die Wiederbesiedlung wurde genährt von den Teilpopulationen der ehemaligen Rückzugsgebiete.

Obwohl der Kolkrabe bereits seit einigen Jahrzehnten wieder in der Ausbreitung begriffen ist, ist bis dato noch nicht das gesamte ehemalige Verbreitungsgebiet wiederbesiedelt. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern ist er jedoch wieder nahezu flächendeckend als Brutvogel vertreten. Heute können in weiten Teilen Mitteleuropas wieder Kolkraben beobachtet werden und der einst häufige Großvogel bereichert wieder die heimische Fauna. So auch im Bayerischen Wald. Hier finden sich nach aktuellen Angaben 2-3 Dutzend Brutpaare.

Mit seinem Schicksal steht der Kolkrabe beispielhaft für mehrere europäische Großtierarten wie etwa dem Schwarzstorch, dem Luchs oder dem Wolf. Während viel Arten in Mitteleuropa in ihren Populationen gefährdet sind, schaffen es einige ehemals ausgerottete Arten aufgrund von Schutzbemühungen ihre ehemaligen Areale wieder zu besiedeln. Der genaue Ablauf der mitteleuropäischen Wiederbesiedlung durch den Kolkraben – ausgehend von den drei Refugialgebieten - ist nicht abschließend geklärt. Von welchen Reliktpopulationen die Kolkraben im Bereich der aktuellen Wiederbesiedlungsfront abstammen, ist ebenfalls unklar. In wie fern sich die Kolkraben in Europa genetisch unterscheiden und ggf. sogenannte „Ökotypen“ (Buchenbrüter, Koniferenbrüter, Felsbrüter) ausgebildet haben, ist offen.

Den Abschluss des Vortrages widmete der Referent einem Thema, das dem Kolkraben zum Verhängnis wurde: seine Adaptation an das Nutzen wertvoller Nahrungsgrundlagen: Aas. Rösner bezeichnete die schwarze Geschichte des Kolkraben als “falsch verstandene Ökologie” Während Aasfresser wie Geier, Schakale oder Marabus in den Savannen Afrikas als Teil eines intakten Ökosystems allgemein akzeptiert sind, ist in Europa und Deutschland der Umgang mit diesem Thema laut Referent viel zu ängstlich.

Aktuelle Fotos aus dem Bayerischen Wald belegen, dass auch hier Aas von interessanten und seltenen Arten wie etwa dem Seeadler genutzt wird.

Das letzte Thema des Vortrags leitete in eine spannende Diskussion über Aas als wichtiger Bestandteil naturnaher Ökosysteme über. Während Totholz aus naturschutzfachlicher Sicht als wichtiges Element im Wald anerkannt ist, fehlt dem tierischen Pendant leider noch die Akzeptanz.

 

Bildunterschrift:

Schon die Nestlinge der Kolkraben besitzen den für diese Vogelart typischen kräftigen Schnabel.

Foto: Sascha Rösner

 

 


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